Frauen mit einer Mission

Prima Volta: Wie haben Sie zum rein weiblichen Oreade Trio zusammengefunden? War es Absicht oder Fügung, dass sich drei Frauen zusammengetan haben?

Ursula Sarnthein, Bratschistin beim Trio Oreade: Eher Fügung. Man ist immer auf der Suche nach dem bestmöglichen und passendsten Mitspieler, da spielt das Geschlecht keine Rolle. Es waren eigentich äussere Umstände: Yukiko und ich studierten beide neben unserer Stelle im Tonhalle-Orchester an der ZHdK und fanden uns für den Kiwanis-Kammermusik-Wettbewerb 2002 (den wir gewannen) zu einer ersten Streichtrio-Besetzung zusammen. Bei unserem Wiedereinstieg ins Triospiel 2012 wurde uns Christine Hu empfohlen – es funkte gleich und wir gewannen den 1. Preis beim Int. Wettbewerb für Streichtrios in München.

PV: Sie haben ein spannendes Repertoire und schreiben auf Ihrer Website, dass Sie viel Wert auf aufregende Interpretationen Ihres Repertoires legen und dem Publikum zeigen wollen, was in den Kompositionen steckt. Wie machen Sie die Werke wahrhaft erlebbar?

Ursula Sarnthein: Indem wir Standard-Hörerwartungen nicht erfüllen und unsere Zuhörer sich nicht entspannen können. 

Uns ist es wichtig, jedes Stück sehr, sehr gründlich einzustudieren und ohne überlieferte Aufführungs-Gewohnheiten selbst wie neu zu entdecken. Wir nehmen uns viel Zeit und untersuchen alle Gesichtspunkte, die uns zu verstehen helfen, was der Komponist mit seinem Werk ausdrücken wollte. Am Anfang steht die Frage: Was bedeutete ein Stück in seiner Entstehungszeit und was sind seine Besonderheiten?
Wie arbeiten wir dann diese oder jene Besonderheit heraus? Technisch betrachtet trägt eine vielseitige, ausdrucksstarke Bogentechnik und der Wille, auf allen Ebenen wirklich zusammen zu spielen, zu einer gemeinsam gefundenen Interpretation bei. 

Was die Lebendigkeit auch ungemein steigert, ist die Tatsache, dass wir meistens nicht stur im Rhythmus durchspielen, sondern die Tempi sehr beweglich halten. So fällt es schwer, von der Musik eingelullt zu werden, da es immer wieder Überraschungsmomente gibt. 

PV: Wie erleben Sie die Arbeit an Armin Schiblers Musik?

Ursula Sarnthein: Die Arbeit an Armin Schiblers „Cinq Pièces“ war eine besondere Herausforderung, weil wir ihn und seine Arbeit vorher gar nicht kannten und es auch keine professionelle Aufnahme von den Stücken gibt. 

Wir haben es sehr genossen, diese Musik zu entdecken und zum Klingen zu bringen. Musik von 1979 ist ja im Prinzip „neu“, und wir wussten gar nicht, was uns erwartet. Gefunden haben wir: Erzählungen, Verlockungen, Scherzereien, Jazz und vieles mehr … 

PV: Sie alle drei spielen Stradivaris: wie kommt man zu dieser Ehre?

Ursula Sarnthein : Curdin Coray, Stiftungsratspräsident Stradivari-Stiftung Habisreutinger, sprach uns beim August-Pickhard-Kammermusik-Wettbewerb 2014 in Basel (auch hier ein 1. Preis) einmal kurz an; bei einem späteren Konzert offerierte er uns unverhofft diese traumhafte Leihgabe.

PV: Wie war es, das erste Mal auf der Stradivari zu spielen?

Ursula Sarnthein : Es war ein ganz besonderer Moment, diese berühmten, Jahrhunderte alten Instrumente zum ersten Mal zum Klingen zu bringen.

Yukiko, unsere Geigerin, hatte das Gefühl, eine Göttin singen zu hören. Christine Hu fand in ihrem Cello ganz neue Dimensionen, um ihre Vorstellungen in Klang umzusetzen. Ich selber war glücklich, dass das Instrument sofort zu mir „sprach“ und freute mich an den reichen Tiefen und dem grossen Klangspektrum „meiner“ Stradivari-Bratsche.