Abendlied: ein (subjektiver) Konzertbericht

Energie, Charme und Schalk sind wahrlich nicht die ersten Adjektive, die man mit Kammermusik in Verbindung bringt. Meret Roth und Edward Rushton brachten aber genau dies – und so vieles mehr – vom ersten Augenblick an auf die Bühne. Ein Liederabend mit einem sehr breiten Spektrum an Komponisten stand auf dem Programm von Prima Volta.

Kaum 2 Meter von Meret entfernt sitzen die ersten Zuhörer und werden unmittelbar umgarnt von ihrer Aura. Sie lässt ihre mal stechend, mal schalkhaft blickenden Augen über das Publikum gleiten, sucht ihre Zuhörer und findet sie. Meret zieht einen mit ihrer ausdrucksstarken Mimik, die den Liedern eine unmittelbare Lebendigkeit verleiht, in ihren Bann. Ihre glasklare Intonation, die sie – wie wir im Gespräch erfahren –ihrer Frau Mama, der professionellen Sprecherin verdankt, sowie die spürbare Freude an den Facetten der menschlichen Stimme, ihren Tönen und Koloraturen, machen die Lieder zum Gesangserlebnis.

AbendliedZum Auftakt intonierte Meret Schuberts «Forelle» und füllt mit ihrem glockenhellen Sopran vom ersten Ton an den Raum. Auch die folgenden Lieder, ein schönes Potpourri von deutschen, britischen und französischen Komponisten erfreut die Zuhörer. Das Programm ist sehr kurzweilig – unter allem auch durch die eingestreuten Fragen und erhellende Antworten der Musizierenden. Und hier sei nun endlich auch der Bogen geschlagen zu Edward Rushton am Piano, der sehr viele amüsante Anekdoten beisteuerte und mit seiner eloquenten Art das Publikum bestens zu unterhalten wusste.

Edward, die Klavierbegleitung, versteht es auch am Piano trefflich, nicht zur Begleitung zu verkommen. Er webt mit seinen Händen auf den Klaviertasten virtuos einen mal dichten, mal durchscheinenden musikalischen Teppich um Merets Stimme. Man spürt in seinem Spiel die Liebe zu Liedkompositionen. Er füllt die Räume rund um die Stimme genauso gekonnt, wie er ebendiese explizit für sie erschafft. Das lustvolle Zusammenspiel der beiden lässt – wie die beiden im Gesprächsteil des Konzerts betonen – ad hoc neue Lied-Interpretationen entstehen. Und, davon bin ich überzeugt, auch wir sind im LOKAL unbewusst – per la prima volta – in deren Genuss gekommen. Nicht nur bei der abschliessenden Performance von John Cages « Aria », das Meret (und den Zuhörern) weit mehr als ein Lied abforderte.

Es war ein schöner Liederabend, der nebst der musikalisch fesselnden Darbietung viele spannende Aspekte der Gattung Lied thematisierte. Meret und Edward gewährten dem Publikum Einblick ins Komponieren, Interpretieren und Einstudieren von Liedern. Vielen Dank den beiden für das tolle Gesamterlebnis, das sie uns geschenkt haben.