Die dezibelles über Thronfolge und Zickenkrieg

PV: Die dezibelles singen a capella. Wie suchen Sie Ihre Stücke aus bzw. wie kommt das Repertoire zustande?

Andrea: Wenn ich nach neuen Stücken recherchiere bestimmt eine Mischung aus Neugier an neuen Klängen und musikalischen Herausforderungen sowie eine Portion realistischer Erfahrung bezüglich Umsetzbarkeit mit vier Frauenstimmen die Wahl. Wir suchen zu einem bestimmten Programmtitel vor allem in den Bereichen Klassik, Jazz und Volksmusik aus aller Welt nach A-Cappella-„Perlen“. Meist sind dies Rohdiamanten, die noch geschliffen (arrangiert) werden müssen, wenn wir Glück haben, stossen wir auf bereits bestehende gut gesetzte A-Cappella-Stücke.

Rebekka: Für unser neues Programm „die thronfolgerinnen“ haben wir natürlich sehr thematisch nach Repertoire gesucht, die musikalische Qualität und Umsetzbarkeit eines Werkes steht aber immer vor dem textlichen Inhalt. Und auch, ob uns ein Stück inspiriert! Es interessiert uns nicht, einen Song genau so zu singen, wie zahlreiche Ensembles vor uns. dezibelles soll immer durchschimmern und dazu tragen Andreas Arrangements einen grossen Teil bei.

PV: Fehlt Ihnen bei Ihren Interpretationen nie die instrumentale Begleitung? Beziehungsweise müssen Sie manchmal Stücke verwerfen, weil es mit einer rein Stimmen basierten Umsetzung nicht klappt?

Andrea: Die instrumentale Begleitung kann nicht „fehlen“, wir streben ja keinen Instrumental-Sound an. Für uns ist das höchste Ziel und Glück die Verschmelzung der vier Stimmen zu einem vokalen Klangkörper. Dabei übernehmen die verschiedenen Stimmen oft unterschiedliche Funktionen und nicht immer gelingt uns auf Anhieb die Vereinigung zu einer musikalischen Aussage. Dann liegt das aber eher am Arrangement oder dem Verständnis der eigenen Stimmfunktion im Satz und nicht am Fehlen eines Instrumentes.

Rebekka: Natürlich gibt es Stücke, die nicht funktionieren, weil wir zum Beispiel den nötigen Stimmumfang als Frauenensemble nicht abdecken, oder weil mehr als vier Stimmen nötig wären. Unterdessen verfügen wir aber über einen gewissen Erfahrungsschatz und die Fehlgriffe sind seltener geworden.

PV: Wie haben Sie das Programm „die thronfolgerinnen“ erarbeitet und wie kam es zu dem spannenden Titel?

Rebekka: Wir sind ständig auf der Suche nach interessanten Themenbereichen für das Ensemble, und einen solchen zu finden ist nicht immer ganz einfach. Der Bereich muss uns einerseits etwas eingrenzen, sonst singt man immer die gleichen drei Stücke, muss aber andererseits Platz haben für alle Stile, die wir gerne unterbringen möchten. Als wir die Idee vom royalen Themenbereich erst einmal hatten, erschien uns die Gelegenheit passend, dies mit unserer aktuellen Umbesetzung zu kombinieren. Nicole, Editha und Daniela sind ja sozusagen Thronfolgerinnen auf den dezibelles-Thron.

Andrea: Die „thronfolgerinnen“ singen Stücke, welche verschiedene Aspekte des royalen Seins beleuchten: Machtgefälle, Statussymbole und Dekadenz; die Gerüchteküche am und über den Hof und das Ausgestelltsein im Rampenlicht; die Fragilität von Hierarchien und die Frage nach der Auflösung davon. Wir haben mit verschiedenen Titeln geliebäugelt und uns schliesslich für diesen entschieden, weil die Eleganz und Verspieltheit des Ensembles darin eingebracht werden kann und die Thematik zeitlos ist.
Die spannende Herausforderung ist der Spagat zwischen einem gesellschaftskritischen Blick ohne zu moralisieren. Unterhaltende und nachdenklichere Elemente einander gegenüberzustellen und die Musik dabei im Fokus zu behalten.

PV: Wo bzw wie haben Sie sich kennengelernt und vor allem als dezibelles längerfristig zusammengefunden?

Rebekka: Die „Original 4“ haben sich vor gut zehn Jahren im Jugendchor Zürich kennengelernt und hatten eines Tages das Bedürfnis, das dort Vermittelte solistischer umzusetzen. Während der spannenden Zeit zwischen Matura und Masterabschluss sind wir einander immer erhalten geblieben, und dafür sind wir sehr dankbar. Anfang 2018 zeichnete sich dann aber langsam ab, dass sich ein so intensives Projekt nicht unbedingt in ein „normales“ Erwachsenenleben integrieren lässt und so kam es zur Umbesetzung. Wir freuen uns wahnsinnig darüber, in Editha, Daniela und Nicole drei so vielseitige und tolle Sängerinnen gefunden zu haben, die diesem Herzensprojekt neues Leben einhauchen.

PV: Editha, Daniela und Nicole sind erst vor Kurzem zu den dezibelles gestossen. Was hat euch an diesem Vokal-Ensemble angesprochen bzw. warum wolltet ihr ein Teil der dezibelles werden?

Nicole: An dezibelles finde ich spannend, dass sie sich vor keiner Stilrichtung scheuen! Es ist aus jedem Genre etwas dabei und das hat mich sehr angesprochen. Ich bin klassisch ausgebildete Sängerin, habe aber in letzter Zeit nach einer stilistischen Veränderung gesucht, da ich schon lange im Pop-Gesang eine neue Leidenschaft gefunden habe. Bei dezibelles kann ich nun dieser Leidenschaft nachgehen.

Editha: Mich haben sehr viele Dinge an dezibelles angesprochen. Erst einmal finde ich es toll, dass wir ein reines Frauenquartett sind. Dann finde ich die Größe des Ensembles ideal, weil wir zu viert wunderbar mehrstimmig singen können und dennoch ist jede Sängerinnen „Solistin“ ihrer Stimme und kann den Ensembleklang mitprägen. Zuletzt ist es für mich eine wunderbare Inspiration stilistisch so querbeet zu musizieren und die tollen Arrangements von Andrea zum Leben erwecken zu können. Ich lerne dadurch viel über die Möglichkeiten meiner Stimme dazu.

Daniela: Man spürte von Anfang an, dass Rebekka und Andrea dieses Projekt mit viel Freude und Energie vorantreiben und auf hohem Niveau weiterbringen möchten. Mich interessiert das breite Repertoire und der Gedanke, für unsere Musik nur unsere Stimmen zu benötigen. Dieser Herausforderung wollte ich mich gerne als Teil einer Gruppe stellen.

PV: Die dezibelles sind vier weibliche Sängerinnen mit einer musikalischen Leiterin. Gibt es bei so viel Frauen-Power manchmal auch so etwas wie kleine „Zickenkriege“?

Editha: Aus meiner Sicht nein. Ich glaube nicht, dass Powerfrauen es nötig haben Zickenkriege zu führen. In so einer kleinen Gruppe, wo intensiv geprobt wird, kann es selbstverständlich mal zu kleineren Missverständnissen kommen. Was mir aber besonders gefällt an dezibelles ist, dass wir schon jetzt einen sehr freundschaftlichen Umgang haben, ohne dabei den professionellen Zugang zu verlieren. Vielleicht ist das sogar ein spezifisch weiblicher Aspekt. Wir können sehr konzentriert und professionell arbeiten, ohne uns dabei gegenseitig überbieten zu wollen.

Daniela: Natürlich gehört es zum Kennenlernen dazu zu merken, wie die Anderen mit gewissen (Stress-)Situationen umgehen. Wir sind aber Profi genug, Kritik nicht persönlich zu nehmen und wissen, dass diese uns weiterbringt.

Andrea: Eine so enge Zusammenarbeit ist für jedes Ensemble herausfordernd, da spielt das Geschlecht weniger eine Rolle als die Persönlichkeiten der Ensemblemitglieder. Die Arbeit mit und an den Stimmen ist besonders fordernd, da diese sehr persönlich ist. Solange wir aber regelmässig Raum für ehrlichen Austausch und Feedback lassen und vorübergehende Unstimmigkeiten nicht unausgesprochen lassen, funktioniert die Zusammenarbeit erfahrungsgemäss wunderbar. Durch die neue Konstellation mit einer externen musikalischen Leitung wird die Dynamik noch einfacher, da ein von aussen auf das Ensemble gerichtetes Ohr den Fokus von möglichen emotionalen Unstimmigkeiten zurück auf die gemeinsame Sache bringen kann.

Mehr über die fünf Künstlerinnen finden Sie hier.