D-S-C-H: Für die Opfer des Krieges – oder für Schostakovitsch selbst?

Schostakowitsch schuf mit seinem 8ten Streichquartett ein hochromantisches und zugleich düster-komplexes Werk. Er reflektierte darin persönliche Erinnerungen an Verfolgung, Gängelung und Krieg. Dabei griff er zurück auf verschiedene Motive aus anderen seiner Kompositionen, aber auch auf Motive aus Werken anderer Komponisten, zum Beispiel aus Tschaikowskis – ebenfalls stark autobiographischer – 6. Sinfonie.

Er wählte vor allem Zitate aus, die sein Spannungsverhältnis zum Sowjetregime zum Ausdruck brachten: Seine erste und seine fünfte Sinfonie, sein Cellokonzert Nr. 1, die Oper Lady Macbeth von Mzensk, sowie sein Klaviertrio Nr.2, das auf jüdischen Melodien basiert.

Das musikalische Hauptmaterial ist fast ausschliesslich aus den Tönen D-S-C-H komponiert. Für das S verwendet Schostakowitsch den Ton Es, da bei der Aussprache kein Unterschied zu hören ist. Diese Vier Töne sind die Initialen Dmitri Schostakowitschs. Er schafft auf diese Weise einen ganz persönlichen Bezug zwischen sich und seinem Werk.

Das regimekritische Werk wurde – vermutlich auf Druck Moskaus – mit dem Zusatz „Im Gedenken an die Opfer des Faschismus und des Krieges“ veröffentlicht. Ein Zusatz, der im Originalmanuskript Schostakowitschs nicht auftauchte. Zwar trifft es zu, dass Schostakowitsch sich von der Bombardierung Dresdens erschüttert zeigte und der Bevölkerung bei seinem Besuch seine Solidarität aussprach; dass seine Komposition vornehmlich unter jenem Eindruck entstand, erwies sich nach Bekanntwerden von Schostakowitschs Briefen jedoch als unzutreffend.

Schostakowitsch schrieb in einem Brief: „… ich habe ein niemandem nützendes und „ideologisch verwerfliches“ Quartett geschrieben. Ich dachte darüber nach, dass, sollte ich irgendwann einmal sterben, kaum jemand ein Werk schreiben wird, das meinem Andenken gewidmet ist. Deshalb habe ich beschlossen, selbst etwas Derartiges zu schreiben. Man könnte auf seinen Einband auch schreiben: ‚Gewidmet dem Andenken des Komponisten dieses Quartetts’. …“

Payam Taghadossi, der Cellist des Quartetts, verrät uns, wie sich diese neuen Informationen zum Stück auf seine persöniche Interpretation desjenigen auswirkt. „Dies zu wissen hat meine Interpretation des Werkes total auf den Kopf gestellt. Ich persönlich, spüre Schostakowitsch selbst während dem Spielen. Es fühlt sich an, als ob der Komponist in der ersten Reihe im Publikum sitzt und wir für ihn eine Hommage an ihn selbst spielen. Früher, als ich diesen Umstand der Widmung nicht kannte, versetzte ich mich zurück in die Nachkriegszeit. Das blanke Entsetzen in den Gesichtern der Opfer und der Anblick des zerstörten Dresdens – das waren die Assoziationen, welche ich damals mit diesem überwältigenden Werk verband.“