Die Wolke an Hörerfahrung von Schubert bis Metallica

Prima Volta: Wie entstand die Idee zum Programm „versunken“ mit der Gegenüberstellung zu den „Liedern um den Tod“?
Dennis Bäsecke-Beltrametti: Die allererste Idee war die der Zusammenarbeit mit Céline. Wir haben 2011 gemeinsam eine Kammeroper realisiert und wollten seither diese Zusammenarbeit weiterführen. Nun ist es endlich soweit. Ich kenne Célines Gedichte schon länger und es gab immer wieder die Idee für einen Zyklus. Durch den Auftrag für Prima Volta wurde es nun endlich konkret. Die Kilpinen-Lieder sind relativ unbekannt und liegen uns beiden sehr nah, was Text, Musik und die ganze Art der Liedsprache angeht. So entstand das Projekt in vielen Gesprächen über längere Zeit und es wurde ganz klar, welche Gedichte Teil unseres Zyklus‘ werden sollten.

PV: Wer oder was beeinflusst bzw. inspiriert deine Kompositionen?
DB-B: Die ganze Wolke an Hörerfahrung und musikalischer Sozialisation schwingt immer mit. Das heisst von Schubert bis Webern und von Chet Baker bis Metallica ist alles im Rucksack dabei. Besonders wichtig für mich sind Komponisten wie Zimmermann, Lachenmann oder auch John Zorn und verschiedene sehr verschrobene Künstler aus dem Industrial- und Breakcore-Bereich; diese musikalischen Entwürfe verbindet – miteinander und mit mir – ein großes Interesse an Brüchen. Wo eine musikalische Struktur unsicher wird, zeigt sich auch ein Riss in der gesellschaftlichen Realität und Identität. Die Hörbarmachung dieser Risse und Unsicherheiten berührt mich sehr, weil sie den Nerv der heutigen Gesellschaft trifft. Auf diese Weise schreiben sich aussermusikalische Ereignisse ebenso stark in meine Arbeit ein, wie andere Kompositionen.

PV: Wie dürfen wir Laien uns die Herangehensweise an eine neue Komposition vorstellen?
DB-B: In diesem Fall ganz naiv und kitschig. Ich habe die Gedichte auf das Klavier gestellt und los ging es – Klang für Klang. Ein solch intuitives Vorgehen ist aber eher die Ausnahme. Normalerweise steht ein Konzept am Anfang, das meistens um die erwähnten Brüche kreist. Da ich meist mit einem anderen Medium musikalisch kommuniziere – Texte, Theaterstücke oder Filme – gehe ich auch sehr stark von den Impulsen aus, die ich von dort bekomme. Ich glaube, dass der taumelnde Abwärtsstrudel, der Célines Texte durchzieht, mich dazu gebracht hat einfach los zu komponieren, in das Dunkel zu springen ohne zu wissen, was kommt.

PV: Wie hat sich die Zusammenarbeit mit Daniella Gerszt und Julia Pfenninger ergeben?
DB-B: Julia war schon 2011 bei der Kammeroper dabei und wir wollten diese gute Zusammenarbeit aus dem Studium wieder aufgreifen. Daniella habe ich vor einem Jahr als unglaublich feinfühlige und musikalisch zielsichere Pianistin und Musikdenkerin kennengelernt. So war diese Konstellation die Idealbesetzung für das Projekt, weil es in vielen Dingen ohne Absprache Einigkeit und ein ähnliches Verständnis gibt.

PV: Dennis, kann man mit Komponieren seinen Lebensunterhalt verdienen?
DB-B: Das kommt sehr darauf an, in welchem Feld man unterwegs ist. In der Film-, Theater- oder gar Werbemusik ist das ganz eine andere Situation als in der sogenannten „Neuen Musik“. Grundsätzlich ist man aber künstlerisch unabhängiger, wenn man irgendein ergänzendes finanzielles Standbein hat. Die Voraussetzungen für KomponistInnen sind letztlich aber wohl an wenigen Orten so komfortabel wie in der Schweiz.

Fotocredits: Hoach Le Dinh (via unsplash.com)