Harley Fahrer, glückliche Ohren, Wohlgroth: Nachgefragt beim Ensemble Tzara

Wir hatten die Chance, uns mit zwei Mitgliedern des Ensemble Tzara auszutauschen. Und bekamen spannende Ein- und Ansichten rund um Leidenschaft, (Kammer-)Musik und Publikumsinteraktion zu hören. Doch lesen Sie selbst…

Prima Volta: „Alles wird gut“ – was kommt euch spontan zu diesem Satz in den Sinn?
– Simone Keller: John Cage hat seinen Studenten, seinem Publikum und überhaupt uns allen in den 60er-Jahren „happy new ears“ gewünscht: „glückliche neue Ohren“. Er wollte Mut machen, lustvoll etwas Neues zu hören und uns zum aktiven Zuhören animieren. Und wir antworten ihm und unserem Publikum heute mit dem beschwichtigenden Stücktitel von Wanja Aloe, das wir letztes Jahr uraufgeführt haben: „Alles wird gut“.
– Raphael Camenisch: Was, wenn nicht der Spruch an den Mauern der Wohlgroth, der mich und viele andere in den Achtzigern auf meinem Schulweg immer wieder farbenfroh angelacht hat – und ebenso die pistolenscharfe Antwort einer Freundin, die darauf zu sagen pflegte „ wär’s glaubt, isch sälber tschuld“.

PV: Das Ensemble Tzara hat sich zeitgenössischer Musik, neusten Werken und Klassikern des 20. und 21. Jahrhunderts verschrieben. Woher kommt diese Fokussierung oder nennt ihr es lieber Leidenschaft?
– Simone Keller: Die Mitglieder des Ensemble Tzara teilen alle die Leidenschaft für Neue und neuste Musik und engagieren sich mit viel Herzblut für das Ungewohnte und (noch) nicht Etablierte. Die meisten von uns spielen aber auch ältere Musik. Die zeitgenössische Musik ist für uns alle ein selbstverständlicher Teil unserer künstlerischen Arbeit.
– Raphael Camenisch: Wer sich mit Tönen umgibt, Töne produziert und Tönen zuhört wird wohl kaum darum herum kommen, sich mit den Tönen seiner Zeitgenossinnen und Zeitgenossen beschäftigen zu wollen/dürfen/können. Letztlich treffen sich im Ensemble Tzara wie andernorts auf dieser Welt Musikerinnen und Musiker zu einem Stelldichein, welche diese Leidenschaft teilen und dabei bemerken, dass mehr geteilt wird als nur die Töne, die gespielt werden.

PV: Was erlebt ihr für Reaktionen des Publikums gegenüber zeitgenössischer Musik?
– Simone Keller: Zeitgenössische Musik ist zu einem grossen Sammelbegriff geworden. Es gibt Stücke, die ein breites Publikum ansprechen können, aber auch Stücke, die schwerer zugänglich sind. Aber auch „das Publikum“ ist ein grosser Sammelbegriff und so unterscheiden sich die Publikumsreaktionen ganz stark in Abhängigkeit der jeweiligen Erwartungen. Wir hoffen, dass wir im LOKAL Fluntern viele neugierige „happy new ears“ vorfinden werden.
– Raphael Camenisch: Die Reaktionen in all ihren Facetten wiederzugeben, bleibt wohl ein Ding der Unmöglichkeit, sicher ist, dass es meist soviele unterschiedliche Reaktionen gibt wie Zuhörende.

PV: Wie sollte man dem Publikum zeitgenössische Musik näherbringen?
– Simone Keller: Das Ensemble Tzara experimentiert mit verschiedenen Vermittlungsformen und versucht immer wieder auch ein neues Publikum zu erreichen, indem wir beispielsweise mit unserer Reihe der „Satelliten-Konzerte“ in Gemeinschaftszentren gespielt haben, ein Konzert in der Börse organisiert haben oder mit einer Gruppe von Harley-Fahrern den Bullinger-Platz gesperrt haben, um dort gemeinsam zu musizieren.
– Raphael Camenisch: Gar nicht – einzig der Versuch die Hörerwartungen für kurze Zeit beiseite zu lassen, sollte unternommen werden.

PV: Wo/in welcher Ambiance spielt ihr am liebsten?
Beide unisono:
Wir spielen überall gerne, wo wir offene und begeisterungsfähige Ohren vorfinden.