Das Theatrale in der Musik

Von Anfang an verschmolzen in Kagels Kompositionen Einflüsse von John Cage, dem Surrealismus, der experimentellen Literatur und dem absurden Theater. So entwickelt er früh sein Hauptthema, welches sich durch sein gesamtes Schaffen wie ein roter Faden zieht: die Suche nach dem Theatralen in der Musik. Er vertritt die Überzeugung, dass es autonome, also ausschliesslich nur klingende Musik, gar nicht gibt, sondern dass die Optik in der Wahrnehmung von Musik immer eine entscheidende, direkten Einfluss nehmende Rolle spielt. Ganz nach dem Motto: Das Auge hört mit.

So ist auch sein Stück „match“ für drei SpielerInnen, komponiert 1964, Handlung und Musik in einem. Sozusagen ein in Musik ablaufendes Drama. Ein Match als Musik. Eine Klangwelt, die nicht nur ein akustisches, sondern auch ein visuelles Erlebnis ist. Bewegung in Zeit und Raum sowie auch das Spiel mit dem Licht – beide Aspekte gehören für Kagel zum Musikmachen dazu. „Instrumentales Theater“ hat er fast alle seine Kompositionen genannt. Er sah die Instrumentalisten wie Sänger, welche nicht nur Erzeuger von Tönen, sondern auch Akteure einer Handlung sind. Die Mimik und Gestik spielt dabei ebenso mit, wie ihre jeweilige Position im Raum. Sie können wandern und die Plätze tauschen. Sie sollen eine Geschichte mit konkretem Inhalt darstellend erzählen.

Die konkrete Handlung von „match“: Zwei CellistInnen liefern sich ein (Tennis-)Match und der Schlagzeuger agiert als Schiedsrichter, der am Ende verzweifelt scheitert.

Kagel sagt über die Entstehung des Werkes, er sei eines Morgens aufgewacht und habe das gesamte Stück geträumt, in allen Details, inklusive der Spielregeln. Innerhalb von nur sieben Tagen schrieb er daraufhin die Partitur nieder.

Das instrumentale Theater ist für die Musizierenden eine ganz besondere Herausforderung. Kagels Streben beschränkt sich in seinen Stücken nicht darauf, den perfekten Ton zu treffen, sondern in der Partitur auch die zu spielende Handlung genau zu notieren. Für viele Musiker stellt gerade dies die große Herausforderung dar. Musiker, die es gewohnt sind, konzentriert an ihrem Instrument zu sitzen, werden bei Kagel zu Schauspielern und manchmal sogar zu Akrobaten. „Von Anbeginn meiner Arbeit an der Komposition wurde mir klar, dass die Klangwelt, die ich im Traum gehört hatte, weniger eine akustische als eine visuelle Klangwelt war.“ Die Bewegung, die notwendig ist, um einen Ton zu erzeugen, ist genauso wichtig wie der Ton selbst – wenn nicht gar wichtiger.